Mittwoch, 21. November 2007
Freakshow!
Das Kolping Haus und seine Bewohner.

Oh mann - also manchmal muss ich sagen, manchmal nervt das Kolping Haus wirklich. Manchmal kommt einfach alles zusammen.

Angefangen bei meinem Zimmer hier: Das Bett is zu kurz, die Bettdecke zu dünn, das Kissen auch. Ich hab keinen Fernseher, kein Radio, keine Musik auf dem Laptop. Auf dem Apple-Laptop kann ich auch nix spielen und das WLAN ist mal wieder Ar***-langsam. Der Schreibtisch ist so niedrig, dass ich kaum meine Beine drunter krieg, der Schrank ist zu schmal - und wenn die Schranktür offen ist, kommt man an selbiger auch nicht mehr vorbei, weil das Zimmer so klein ist. Das Fenster isoliert so schlecht, dass ich Nachts von den Sirenen aufwache und mindestens die Hälfte der warmen Luft von der Heizung sofort vom Fenster wieder abgekühlt wird. Die Vorhänge waren nur Staubfänger, sodass ich sie entfernt hab. Nachts wechseln sich mein Kühlschrank und meine Heizung im Lärm machen ab. Der Kühlschrank - obwohl chronisch unbefriedigend befüllt - hört sich an, wie wenn ein Hamster drin Sport machen würde, die Heizung, wie wenn sie Blähungen hätte.
Aus gänzlicher Ermangelung eines Nachtkästchens habe ich eine breite Schublade aus meinem Schreibtisch umfunktioniert. Diese steht nun neben meinem Bett und auf ihr trohnt mein Wecker. Außerdem quietscht meine Tür und ich hab nix, wo ich meine Klamotten drauf schmeißen kann ausser das Bett und den Kühlschrank. Aufs Bett will ich mich selber schmeißen und der Kühlschrank ist viel zu klein - das passt viel zu wenig drauf! Und den Boden lass ich ja hier nix berühren!
Es gibt ja anscheinend so lustige Menschen hier im Haus, die barfuß auf dem Gang rumlaufen und Spuren aus Wasser und Duschgel hinter sich her ziehen.
Nur mal so zur Info: alle Leute laufen hier auch mit Straßenschuhen auf dem Gang rum - und auch mal ins Bad damit.

Dann gibt's auch abgefahrene Leute hier im Haus - ich sag's euch! Am Anfang, als ich hier ankam, bin ich gleich auf einige nette Leute getroffen, die sind jetzt der harte Kern, mit denen ich mehrmals die Woche was unternehme. Dann gibt's noch ein paar wenige, die zwar auch nett sind, aber die man nur selten sieht. Und dann gibt's da halt noch die Freaks. Es gibt hier einige Asiaten, die meist alle unter sich bleiben, dann gibt's so ein paar alte Knacker, wo sich alle fragen, wer die eigentlich in ein Wohnheim für junge Männer reinlässt. Dann gibts noch die drei Angestellten hier - den einen Hispano der beim Putzen und Staubsaugen permanent und superlaut auf Spanisch telefonieren muss. Dann gibt's den alten Ray, mit der monsterdicken Hornbrille, schlohweißen Haaren, der nur selten ein Wort rausbringt und dann gibt's noch den Roger, einen ca. 40 jährigen Brasilianer der zwar meist nett ist, grinst und auch mal nen Scherz macht, aber dessen English trotzdem keine Sau hier versteht und alle nur Lachen, Nicken oder mit "yes" antworten.

Jetzt hat gerade der Dr***s Malaye nebenan wieder angefangen zu singen! Ja der singt! Ich könnt ihm jedes Mal gegen die Tür treten, wenn er das tut!
Dann gibt's auch noch so andere Leute hier, die nicht duschen können, bzw. nicht wissen, dass das grüne Plastikding namens Duschvorhang nicht nur zur Dekoration da hängt, und die das ganze Bad unter Wasser setzen. Über die Waschbecken rede ich lieber garnicht erst - Montags morgens sieht sowieso das gesamte Bad furchtbar aus - weil es ja Freitags zum letzten Mal geputzt wurde.

Dann gibt's hier auch noch richtig vielfältige Charaktere!

Leute, die vom Internat geflogen sind, Leute, die Schlägereien mit Türken vom Zaun brechen, Leute die wegen Kiffen ihren Führerschein verloren haben oder die solche Raser sind, dass sie schon drei schwere Autounfälle hatten und trotzdem weiter rasen. Leute die sich in Studiengänge reingeklagt haben. Junge Männer (jünger als ich), die zugeben, Alkoholiker zu sein und jeden Abend saufen gehen. Einige geben offen zu, dass sie die Internships und Praktika hier NUR wegen dem Firmennamen und der Location für den Lebenslauf machen und von dem was sie tun total angekotzt sind bzw. absolut nix dort lernen. Versuchen nur das Beste für sich rauszuholen - es gibt hier arrogante Arschloch- und Ellenbogen-Typen. Man trifft auch auf erstaunlich unterschiedliche Einstellungen zu Frauen und Beziehungen: von Machos und Aufreißern (die eine sagen wir mal "bescheidene" Meinung von Frauen haben), über Schmalzlocken über Schüchterne über Treue und Brave über Leute die noch nie Zeit für eine Frau oder eine Beziehung hatten. Auch Schwule gibt's hier.
Ich muss zugeben, in einem katholischen Männerwohnheim hab ich nicht mit so vielen extremen und unterschiedlichen Charakteren gerechnet.

Es gibt auch totale Überflieger hier, Leute die Klassen übersprungen haben und mit 24 ihre Dissertation in Jura fertig kriegen (gut, da dauert sowas auch normal nur 1,5 Jahre und der Typ wohnt im Prinzip in der Bibliothek und kommt nur zum Schlafen und Essen ins Kolping Haus). Es gibt auch Leute die schon zwei- oder sogar drei Mal für ein Jahr in der Schweiz, Frankreich, Spanien, USA, Südafrika waren. Es gibt sogar einen, der schon mal in Indien in einem Weisenhaus gearbeitet haben. Als Konsens kann man sagen: Studieren ist schon wichtig, aber mindestens genausowichtig sind Auslandsaufenthalte und die Namen der Firmen und Städte im Lebenslauf. Das Studium machen die Leute halt irgendwie so nebenher. Da mal ein paar Scheine hier, da mal die Arbeit in nem Erasmus-Semester dort geschrieben, da mal ein Semester an der Uni und zwischendurch mal ein Praktikum dort während eines Urlaubssemesters. Und das summiert sich halt. "Dann bewerb ich mich halt mal spontan da und da und da - ach ja cool - die würden mich sogar nehmen. Klar, dann nehm ich das noch mit". Da kommen dann richtig wohlklingende Lebensläufe bei raus, obwohl die Leute sich garnicht unbedingt so viel Stress gemacht haben, wie man erstmal glaubt. Sie haben nur einfach keine Angst, Selbstvertrauen, offene Augen und Ohren, planen ein wenig Voraus und probieren's einfach überall, wo sie meinen, mit Bewerbungen. Sieht so von außen, wenn man das mal so erzählt kriegt und teilweise sogar direkt mitbekommt, echt garnicht so schwer aus!

Etwa 2/3 der Leute hier sind Deutsche oder zumindest Deutschsprachige. Und irgendwie kommen alle entweder aus Köln/Bonn, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, Dresden oder München. Dann gibt's noch ein paar freundliche Österreicher. Die meisten hier machen entweder was mit Wirtschaft, Jura oder Medizin - es gibt aber auch so ein paar Ausnahmen, wie Leute, die bei der UN arbeiten, einen Architekten, einer macht irgendwas mit Mode - zumindest arbeitet er bei Hugo Boss.
Bei den sehr interessanten Diskussionen während dem Abendessen oder in der mittlerweile entdeckten "deutschen" Kneipe "Heidelberg", kommen die unterschiedlichsten Einstellungen zutage. Man kommt sich vor wie in einer Packung Smarties - die politischen Einstellungen sind durchaus bunt gemischt: da gibt es rote, braune, gelbe, grüne und schwarze. Es gibt mittlerweile auch mehrere Running Gags, wie z.B. von unserem Halb-Kroaten, der bei den Serben, den Amis, den Chinesen oder sonst irgendeinem Volk, über das gerade geredet wird nur meint: "Ach die! Die haben doch keine Kultur!".
Oder auch die Aussage eines anderen Halb-Deutschen: "ich bin gerade soweit rechts, dass ich mich nicht selber abschieben muss"

Leider sind seit gestern zwei Leute vom harten Kern wieder nach Deutschland zurück und an einigen Tagen, wo mich das Kolping Haus dann doch mal wieder annervt, wenn z.B. in der Dusche kein warmes Wasser kommt, die Heizung nicht geht, der Aufzug wieder ewig braucht oder keines der drei verschiedenen Abendessen annähernd lecker aussieht, man den ganzen Tag über von New York sowieso nur die überfüllte U-Bahn mitbekommen hat, ja an solchen Tagen wär ich auch gerne mal wieder in Deutschland.
Zum Ausgleich dufte ich heute mal wieder den kleinen George im Fernsehen anschauen - das ist hier wohl so eine Art Komiker, der immer im Fernsehen auftritt und was von "a märekns" erzählt - was auch immer das nun wieder sein soll ;-)
Bei uns in der BayernLB läuft permanent CNN oder CNBC auf dem Breitbildfernseher und heute hat der kleine George doch tatsächlich mit einem debilen Grinsen im Gesicht den offiziellen Präsidenten-Truthahn gestreichelt und das wurde live im Fernsehen übertragen!!

Na dann mal gute Nacht!

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